AMAG: Mobilität im Wandel
Lina Schmid
Ein Rundgang durch den Showroom der Automobil und Motoren AG (AMAG) an der Reinacherstrasse 149–151 zeigt: Die Automobilbranche ist im Wandel. Fast die Hälfte der auf Hochglanz polierten Fahrzeuge sind mit einem Elektromotor ausgestattet. Laut Pierino Di Matteo, Leiter des AMAG-Betriebsverbunds Basel, sind elektrisch angetriebene Autos auf dem Vormarsch: «Man geht heute davon aus, dass sich in den nächsten sieben bis zehn Jahren unser Geschäftsmodell wandelt: Weg vom thermischen Motor, hin zum Elektromotor. Die fortschreitende Digitalisierung, neue Technologien wie Elektrofahrzeuge und autonom fahrende Autos werden die Automobilbranche in naher Zukunft wesentlich verändern. Die Herausforderung an ein Unternehmen wie die AMAG ist es, diesen Wandel mitzugestalten.»
Die neuen im Showroom der AMAG ausgestellten E-tron Modelle von Audi funktionieren mit rein batterieelektrischem Antrieb. (Foto: Daniel Spehr, 2021)
1965 in Italien geboren und deutsch-italienischer Doppelbürger, wanderte Pierino Di Matteo als Kind mit seiner Familie nach Süddeutschland aus. Dort absolvierte er nach der Schule eine technische sowie eine kaufmännische Lehre und stieg in den 1980er-Jahren als Automobilverkäufer in die Branche ein. Er machte Karriere, wurde schon bald Betriebsleiter eines kleinen Autohauses, später Vertriebsleiter einer Firmengruppe in Süddeutschland. 1998 arbeitete er zum ersten Mal für die Auto-Service AG (ASAG). Das damals zur Fritz Meyer AG gehörende Automobilunternehmen wurde 2019 von der AMAG Automobil und Motoren AG übernommen, was eine Namensänderung der Firma zur Folge hatte – aus der ASAG wurde die AMAG. Während zehn Jahren baute Di Matteo als Geschäftsführer für die ASAG ein Standbein in Deutschland auf, später war er als Vizedirektor für den Vertrieb in Deutschland und in der Schweiz verantwortlich. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung verliess er 2016 die ASAG und arbeitete fünf Jahre als CEO eines Zürcher Automobilunternehmens. Im September 2021 zog es ihn wieder zurück in das vertraute Umfeld der vormaligen ASAG. Als Leiter des Basler Betriebsverbundes setzt er sich nebst der Unternehmensentwicklung auch mit Themen wie Elektromobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit auseinander. Nicht nur durch die Förderung von elektrobetriebenen Fahrzeugen, sondern auch durch das ökologische Betreiben der eigenen Standorte soll laut Di Matteo ein Weg gefunden werden, wie auch die AMAG in Zukunft ihren Teil zum Umweltschutz beitragen kann. «Die AMAG Gruppe hat sich verpflichtet, bis 2025 als Unternehmen klimaneutral zu arbeiten. Zudem hat sie die Ambition, bis 2040 einen klimaneutralen Fussabdruck zu erreichen.» Der neue Stolz des Betriebs auf dem Dreispitz wurde uns bei unserem Besuch am 3. November 2021 nicht vorenthalten: Auf dem Dach betreibt das Unternehmen seit kurzem eine der grössten Photovoltaik-Anlagen Basels.
Umweltfreundlichere Mobilitätskonzepte, die diverse Fortbewegungsformen verbinden, wären laut Di Matteo ein mögliches Zukunftsmodell. (Foto: Daniel Spehr, 2021)
Ein weiteres Thema, welches Pierino Di Matteo umtreibt, ist die Umgestaltung von Mobilitätskonzepten. Damit die Elektromobilität Erfolg haben kann, muss sie für die Kundschaft so bequem und einfach wie möglich sein. Dafür erweitert die AMAG das Produkte- und Dienstleistungsangebot rund um die Elektromobilität, bis hin zum rein elektrischen Mobilitätsökosystem. Trotz des optimistischen Blicks in die Zukunft und der Bereitschaft, sich mit neuen Mobilitätsformen auseinanderzusetzen, wird es wohl noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis sich das gesellschaftliche Bewusstsein ändert und das Bedürfnis nach dem Besitz eines eigenen Autos der Vergangenheit angehört.
Ein Blick zurück: Von der Auto-Servicestelle zur Grossgarage
Vor gut 100 Jahren stand die Automobilbranche noch in ihren Anfängen. Damals entschied sich das Basler Transportunternehmen Fritz Meyer AG, in den Handel mit flüssigen Treib- und Brennstoffen einzusteigen. In diesem Zusammenhang erschien es naheliegend, auch eine eigene Tankstelle zu betreiben. Als die Fritz Meyer AG am 1. Mai 1929 am Aeschenplatz ihre Tochterfirma ASAG eröffnete, ging das damals rund 60 Jahre alte Transportunternehmen aber dennoch ein Wagnis ein. Damals waren in Basel nämlich erst rund 4’000 Autos registriert, das Auto war noch ein Luxusgut und diente kaum als Alltagstransportmittel. Dennoch lief das Geschäft bereits im ersten halben Jahr gut. Die zentrale Lage am Verkehrsknotenpunkt Aeschenplatz erwies sich als Standortvorteil, und die kurz darauf angegliederte Pneu- und Vulkanisierwerkstatt sowie eine Öl- und Batterieservicestelle ergänzten das Angebot optimal.
Ansicht Aeschenplatz 1934 (StABS Signatur: BALAIR 3743)
Der Erfolg war jedoch nicht von Dauer. Schon ein halbes Jahr nach der Eröffnung brachte die Weltwirtschaftskrise das Geschäft fast zum Stillstand. Die Kontingentierung von Mineralölprodukten und die behördliche Festschreibung von Verkaufspreisen schränkten den Betrieb stark ein. Wie die Basler Zeitung in den 1970er-Jahren in einem Rückblick schrieb, leuchtete damals wohl ein «guter Stern» über dem Unternehmen, denn die ASAG hielt sich trotz der widrigen Umstände über Wasser. In den 1930er-Jahren gelang es ihr sogar, die Servicestelle um eine Reparaturwerkstätte zu erweitern, bevor der Beginn des Zweiten Weltkriegs das Automobilunternehmen vor die nächste Ungewissheit stellte. Nicht nur musste die Firma von heute auf morgen aufgrund der Mobilisierung auf eine Grosszahl der Mitarbeiter verzichten. Auch die ausbleibenden Treibstofflieferungen stellten die ASAG auf die Probe.
Im Jahr 1965 war der Bau an der Reinacherstrasse fertiggestellt. Die VW-Käfer gehörten weiterhin zu den beliebtesten Autos. (Archiv AMAG)
Nach Kriegsende sollte sich das Blatt für die ASAG wenden. 1948 schloss das Unternehmen mit dem Automobilimporteur AMAG einen Regionalhändlervertrag für die Marke Volkswagen ab. Mit dieser Automobilvertretung erlebte die ASAG den langersehnten Aufschwung. Spätestens Ende der 1950er-Jahre eroberten die famosen VW-Käfer die Basler Strassen. Im Jahr 1960 hatte die ASAG bereits 8’000 Volkswagen verkauft, fünf Jahre später waren es 17’000. Obschon die Nachkriegszeit im Zeichen des Autohandels stand, gab die ASAG den ursprünglichen Geschäftszweig der Instandsetzung nicht auf. In den 1960er-Jahren plante sie deshalb die Errichtung eines zentralen Ersatzteillagers und einer Werkstätte auf dem Dreispitz. Ersteres sollte in den Folgejahren zum wichtigsten Einzelteillager der Region werden.
Der Kaffee in der ASAG-Werkstätte war laut einem Bericht der Basler Nachrichten aus dem Jahr 1965 ebenso gut wie der Service. (Archiv AMAG)
Am neuen Standort auf dem Dreispitz beschäftigte die ASAG rund 240 Mitarbeitende. Die moderne Werkstatt zog Kunden aus der ganzen Region an und liess den Autoservice zu einem Erlebnis werden. Gleich beim Eingang an der Dreispitzstrasse standen die Kundendienstberater bereit, um die Fahrzeuge unter die Lupe zu nehmen. Den Blick unter das Auto ermöglichte einer der 14 neuen Wagenheber. Stufte die Beratung das Problem als geringfügig ein, konnten sich Kunden für die Dauer der Reparatur an der hausinternen Kaffee-Bar verköstigen. Als besondere Attraktion galt schliesslich der neue Prüfstand, der bei der Abholung des Fahrzeuges die Probefahrt ersetzte. Am «Electronic Engine Tester» der Marke Sun konnten sowohl Motor als auch Bremsen zuverlässig geprüft werden, worauf die Autobesitzer sich wieder ihrem Alltag zuwenden konnten.
Der Prüfstand erlaubte es, Motor und Bremsen präzis zu testen. (Archiv AMAG)
Umbau auf dem Dreispitz und Übernahme durch die AMAG
Rund 50 Jahre lang wurden auf dem Dreispitz Fahrzeuge verkauft, Diagnosen gestellt, Teile ausgetauscht und Motoren getestet, bis die nächste grosse Veränderung anstand: Für Lager und Werkstatt wurde der Platz knapp. Sergio Raimundo, der als Siebzehnjähriger eine Lehre als Automechaniker bei der ASAG angetreten hatte, erinnert sich in unserem Gespräch daran, dass mit zunehmender Komplexität und Vielfalt der Fahrzeuge auch die Anzahl und der Bedarf an Ersatzteilen ins Unermessliche stiegen. Da gleichzeitig der Kundenstamm der ASAG stetig grösser wurde, stand spätestens 2014 fest, dass ein Um- und Ausbau der Räumlichkeiten unabdingbar war.
Das Ersatzteillager befand sich im ersten Untergeschoss. Das Material wurde grossteils per Eisenbahn in den Dreispitz geliefert. (Archiv AMAG)
Neu sollten alle Autovertretungen unter einem Dach vereint und der Standort im Gellert aufgegeben werden. Zudem musste – neben neuen Showräumen – Platz für weitere Werkstätten und eine neue Lack- und Karosserieabteilung geschaffen werden. Das Ersatzteillager hingegen wurde aufgelöst, womit die ASAG künftig auf ein vormals zentrales Standbein verzichtete. Raimundo begleitete dieses zwei Jahre laufende Grossprojekt. Als Jugendlicher aus Portugal in die Schweiz gekommen, hatte er 1993 seine Mechanikerlehre bei der ASAG begonnen und laufend mehr Verantwortung übernommen. Dank über 20 Jahren Arbeitserfahrung war er zum Zeitpunkt des Umbaus mit der ASAG und ihren Bedürfnissen mehr als vertraut. Rückblickend beschreibt er diese Zeit als hektisch: «Während zwei Jahren bauten wir um und brachten gleichzeitig das Tagesgeschäft durch.» Die Audi-Werkstatt wurde zwischenzeitlich nach Münchenstein ausgelagert: «Wir brachten die Autos dann jeden Tag rüber und flickten sie dort und brachten sie wieder her.»
In der neuen Karosserie- und Lackabteilung. (Foto Daniel Spehr, 2021)
Nach der Eröffnung des neuen ASAG-Gebäudes an der Reinacherstrasse 149 – 151 übernahm Sergio Raimundo die Leitung der Audi-Serviceleitung (Empfang, Werkstatt und Ersatzteillager). Nach kaum einem Jahr wurde der langjährige ASAG-Mitarbeiter von der Neuigkeit der Übernahme überrascht: Alle Betriebe der Tochtergesellschaft der Fritz Meyer Holding sollten per Anfang 2019 in den Besitz des Grossunternehmens AMAG Automobil und Motoren AG übergehen. Hatte die ASAG seit 1948 ihre Ware bei der AMAG Import bezogen, wurde sie nun von der Retailabteilung desselben Unternehmens übernommen.
Die AMAG-Gruppe ist ein vom Unternehmer Walter Haefner 1945 gegründetes Familienunternehmen. Sie setzte sich aus mehreren Einzelunternehmen zusammen, beschäftigt heute rund 6’500 Mitarbeitende und zählt somit zu den grössten Automobilfirmen der Schweiz. Sergio Raimundo wurde nach der Übernahme 2019 Betriebsleiter des ganzen Gebäudes mit den Marken Audi, Skoda und Seat. Im April desselben Jahres erwarb die AMAG zudem die Vertretung für die Marke VW zurück – zwischenzeitlich waren die Verträge der ASAG im Jahr 2014 gekündigt worden. Damit vertritt die AMAG heute wieder dieselben Marken, welche die erfolgreichen Jahre der ASAG geprägt hatten.
Pierino Di Matteo und Sergio Raimundo (Foto: Daniel Spehr, 2021)
Pierino Di Matteo, *1965, deutsch-italienischer Doppelbürger, absolvierte eine technische sowie eine kaufmännische Lehre und ein Masterstudium in Business Engineering Management. Er war von 1998 bis 2016 bei der ASAG-Gruppe in diversen Leitungsfunktionen und als Vizedirektor der ASAG Auto-Service AG tätig. Zwischenzeitlich CEO einer Zürcher Automobilfirma, kehrte Di Matteo 2021 als Leiter Betriebsverbund Basel und operativer Geschäftsführer zur AMAG zurück.
Sergio Raimundo, *1976, wanderte als Vierzehnjähriger mit seiner Familie von Portugal in die Schweiz ein und begann bei der damaligen ASAG eine Lehre als Automobilmechaniker. Über 20 Jahre arbeitete er in der Audi-Werkstatt im Gellert, bis die Audi-Vertretung 2014 auf den Dreispitz verlegt wurde. Heute ist Raimundo Betriebsleiter des Standorts auf dem Dreispitz und Leiter Aftersales des Betriebsverbundes Basel.
Das Gespräch fand am 3. November 2021 bei der AMAG an der Reinacherstrasse 149/151 auf dem Dreispitz statt.