Geschichte der Firma Debrunner Acifer auf dem Dreispitz
Franziska Schürch
Die Geschichte der Firma Acifer in Basel hat in den Archiven nur wenige Spuren hinterlassen und laut Auskunft der heutigen Besitzerin, der Debrunner Acifer, gibt es auch kein Firmenarchiv.
Vorgängerin der Acifer war die Eisenhandels AG in Basel. Dem Schweizerischen Handelsamtsblatt zufolge wurde unter diesem Namen am 3. Juli 1950 eine Aktiengesellschaft (AG) gegründet, die den Handel mit Walzprodukten aller Art, insbesondere Eisen und Stahl, bezweckte. Das Grundkapital der AG betrug CHF 100‘000, verteilt auf 100 voll einbezahlte Namenaktien zu CHF 1’000. Präsident des Verwaltungsrats war Max Radelfinger-Hinnen, wohnhaft in Köniz bei Bern. Weiter gehörte dem Verwaltungsrat die in Sissach lebende Angelina Hinnen-Antonietti an. Die Prokura wurde Max Radelfingers Ehefrau Irma erteilt. Vermutlich waren Irma Radelfinger und Angelina Hinnen Schwestern. Das Domizil der Firma mit eigenem Bureau befand sich am Ingelsteinweg 7. Das Haus gehört zu einer Wohngenossenschaft. Im Adressbuch von Basel-Stadt findet man 1950 unter dieser Adresse Hans Girod-Müllerleile und die «Eisen(-Stab) Handlung en gros». Hans Girod, gelernter Kaufmann, wohnte seit 1945 in der Nummer 7. Zuvor hatte der Ingelsteinweg gar nicht existiert: Offenbar war die Strasse gleichzeitig mit dem Bau der Genossenschaftshäuser neu angelegt worden.
Bereits im Dezember 1950 änderte die Firma ihren Namen in M. Radelfinger AG und zog mit dem Bureau an die Falknerstrasse 7. Die Firma wuchs, das Kapital der Aktiengesellschaft konnte in den folgenden Jahren mehrfach erhöht werden. Girod stieg auf und wurde 1952 zum Prokuristen. Ebenfalls 1952 zog die Firma in das neugebaute Geschäftshaus Burghof an der Dufourstrasse 5. Zwei Jahre später, 1954, schieden sowohl Radelfinger als auch Girod aus Verwaltungsrat und Geschäftsleitung aus. Im Dezember desselben Jahres erhielt die Firma den neuen Namen Acifer, der Geschäftssitz befand sich nun am Luftgässlein 1. Im Januar 1955 wurden neu der St. Galler CVP-Nationalrat Dr. Theodor Eisenring aus Rorschach und der Basler Kaufmann Dr. Paul Hänggi in den Verwaltungsrat gewählt. Darauf folgte 1958 die Liquidierung der Firma Acifer und die Neugründung der Acifer Basel. Die Verantwortlichen begannen in den folgenden Jahren, in der ganzen Schweiz Niederlassungen zu gründen: Eine erste Filiale findet man in Sissach (BL), noch unter dem Namen M. Radelfinger AG. Ab 1956 gab es eine Filiale in Buchs (SG), später weitere in Regensdorf (ZH), Visp (VS), Martigny (VS), Rothenburg (LU) und Thayngen (SH).
Wann genau die Acifer AG sich umorientierte und in die eigentliche Produktion von Armierungseisen einstieg, lässt sich nicht herausfinden. Jedenfalls wurde 1960 die Zweigniederlassung Münchenstein an der Dreispitzstrasse 32 eröffnet. 1996 wurde Acifer Basel von der in St. Gallen beheimateten Firma Debrunner übernommen. Die Debrunner Acifer Gruppe galt nach der Fusion (Übernahme) als neuer Schweizer Marktführer im Handel mit Baustahl- und Walzprodukten. Heute ist Debrunner-Acifer eine Tochtergesellschaft der Debrunner Koenig Gruppe und gehört damit zum deutschen Klöckner & Co. SE Konzern. Dieser ist, nach eigenen Angaben, der grösste produzentenunabhängige Stahl- und Metalldistributor sowie eines der führenden Stahl-Service-Center in Europa und Amerika.
Was ist eine Eisenbiegerei?
In einer Eisenbiegerei werden Eisenstäbe resp. Stahlstäbe zu Armierungseisen geformt, die im Eisen- und Stahlbetonbau als Verstärker dienen. Die Stahlstäbe sind auf zwei Seiten gerippt, die Schrägrippen auf der einen Seite bezeichnen die Betonstahlsorte, die andere Fläche trägt das Zeichen des produzierenden Landes und des Herstellungswerks.
Fertig gebogene Eisenstäbe. Gut zu sehen sind hier die Schrägrippen, welche die Betonsorte bezeichnen. (Foto: Daniel Spehr, 2015)
Der armierte Eisenbetonbau war eine eigentliche architektonische Revolution: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckte der französische Gärtner Joseph Monier, dass seine Pflanzkübel aus Zementbeton sehr viel besser hielten, wenn er sie mit einem Drahtgeflecht verstärkte. In der Folge setzten Architekten sogenannte Monier- oder Armierungseisen auch beim Hausbau ein, um den Beton zu stabilisieren. Nun konnten die Spannweiten vergrössert und zahlreiche Bauteile vorfabriziert werden, was die Bauzeiten verkürzte. In Basel arbeiteten die Architekten Rudolf Linder und Adolf Visscher van Gaasbeek 1898 erstmals mit armiertem Eisenbeton. Dem Bauboom des 20. Jahrhunderts kam diese neue, günstigere Konstruktionsmethode entgegen, sodass auch in der Region Basel zahlreiche Eisenstabhandlungen, Eisenbiegereien und Portlandzementfabriken gegründet wurden.
Gino Pasquarelli, Vorarbeiter, über die Firma Acifer Basel auf dem Dreispitz
Die Eisenbiegerei ist eine laute und grobe Arbeit, die gleichzeitig auch mit einer hohen Präzision ausgeführt werden muss.
Mitarbeiter von Acifer an der Biegemaschine. (Foto: Daniel Spehr, 2015)
Bei einem Werkbesuch führte uns der Vorarbeiter Gino Pasquarelli durch den Produktionsprozess und erzählte von seiner mittlerweile über 40-jährigen Tätigkeit bei Acifer.
Nach einer Lehre als Automechaniker in Inzlingen (D) erhielt Pasquarelli 1974 als 23-Jähriger eine Anstellung bei Acifer Basel auf dem Dreispitz in Münchenstein. Er stammte aus den Abruzzen und arbeitete zunächst vier Jahre als Saisonnier bei Acifer Basel, danach schaffte er sich vom einfachen Arbeiter zum Lastwagenchauffeur, später zum Kranführer und zuletzt zum Vorarbeiter hoch. Seit 1995 war er verantwortlich für die Koordination der Arbeiten in der Eisenbiegerei. Dort wurden mehrere Meter lange Eisenstäbe zu Formen gebogen, um sie dann bei ganz unterschiedlichen Betonbauten als Armierungseisen einzusetzen. Jeder Betonbau braucht eigens gebogene Eisen, in einer bestimmten Dicke und in einer vom Bauingenieur bestimmten Zahl. Pasquarelli erklärte uns auch, wie man vor der Computerisierung die sogenannten Figuren, also die Vorlagen der Eisenbiegerei, erstellt hat: Zu Beginn des Prozesses brachte der Ingenieur jeweils eine Liste mit den Eisenstäben, die für einen Bau benötigt wurden, ins Büro der Acifer Basel. Dort skizzierten die Angestellten, unter der Aufsicht von zwei Bauzeichnern, die Figuren und notierten die genauen Masse. Auf der Grundlage dieser Zeichnungen bearbeiteten die Eisenbieger die Armierungseisen. Die Stäbe wurden in Maschinen eingefädelt, ein Mitarbeiter nannte einem zweiten, der vorne an der Maschine stand, die Winkel und die Länge, wo der Eisenstab gebogen werden musste. Über verschiedene Rollen stellte der zweite Arbeiter den Biegungswinkel genau ein. Die Eisen wurden anschliessend geschnitten und kalt gebogen, von Hand aus der Maschine gezogen und auf den Boden gelegt.
Ab den 1990er-Jahren begann man die Eisenformen auf dem Computer zu zeichnen. Und auch die Biegemaschinen waren nun computerisiert. Nun mussten die Arbeiter nur noch das Material einführen und den Biege- und Schneideprozess überwachen.
Ein Mitarbeiter gibt die Daten der Eisenform in den Computer ein. (Foto: Daniel Spehr, 2015)
Auf dem Dreispitz
Das Eisenlager und die Eisenbiegerei der Firma Acifer befanden sich, so Gino Pasquarelli, zunächst wohl im Auhafen. 1956 zog die Acifer nach Münchenstein auf den Dreispitz, an die Frankfurtstrasse 88, wo die Firma Land der Christoph Merian Stiftung im Baurecht erwarb. Ausschlaggebend für den Standortentscheid war die Anbindung an das Eisenbahnnetz: Das Rohmaterial, die Eisenstangen, konnten per Bahn angeliefert werden.
Das Produktionsgebäude von Debrunner Acifer, davor die Eisenbahnschienen, die direkt in die Halle führen. (Foto: Daniel Spehr, 2015)
In den ersten Jahren lagerten Eisenbleche und Stahlträger auf dem Dreispitz in einer Halle. Die Eisenbiegerei fand draussen statt, bei jedem Wetter. Der Vorarbeiter Gino Pasquarelli erlebte dies auch in den 1970er-Jahren noch so. Im Winter waren die Mitarbeiter deshalb häufig den ganzen Tag nass. Um sich zu wärmen, gab es an verschiedenen Orten kleine Feuerstellen. Im Sommer war es hingegen sehr heiss. 1988 wurde das Eisenlager nach Möhlin und die Biegerei auf dem Dreispitz in die Halle verlegt.
Die Eisenbiegerei auf dem Dreispitz. (Foto: Daniel Spehr, 2015)
Auf dem Dreispitz arbeiteten in den 70ern um die 50 Personen für Acifer, davon etwa 30 in der Eisenbiegerei. Man arbeitete in zwei Schichten, von 6 Uhr morgens bis um 4 Uhr nachmittags oder von 12 Uhr mittags bis 9 Uhr abends.
Als sich zu Beginn der 2000er-Jahren die Schliessung der Geleise auf dem Dreispitz abzeichnete, beschloss die Geschäftsleitung, die Eisenbiegerei mit Auslauf des Baurechtsvertrags 2015 nach Regensdorf zu verlegen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten mit nach Regensdorf zügeln und auch ein Teil der Maschinen wurde dorthin transferiert.
Gino Pasquarelli * 1. April 1951, stieg 1974 in die Firma Acifer ein und war Vorarbeiter der Eisenbiegerei.
Das Gespräch fand am 12.11.2015 im Sitzungszimmer der Firma Debrunner Acifer auf dem Dreispitz statt.