Von Gasleuchten bis zur Buttermaschine – die Anfänge der Regent
Lina Schmid
Im Jahr 1908 wollte Gabriel Levy seine zwei Söhne, René und Gaston Levy, in das Familienunternehmen levy fils einbinden. Bei seinen Geschäftspartnern, seinen fünf Brüdern, stiess er mit dieser Idee allerdings nicht auf Begeisterung. Das Unternehmen schien zu klein, um derart vielen Teilhabern ein Auskommen zu garantieren. So entschied er sich kurzerhand, eine eigene Firma zu gründen und seine zwei Söhne einzustellen. Manuel Levy und Patrick Dreyfus, bis 2014 Geschäftsführer und heute Verwaltungsräte bei Regent Lighting, erzählen in einem Gespräch von der Gründung der Firma, die auch Teil ihrer Familiengeschichte ist. Mit Manuel Levy übernahm die vierte Generation die Leitung der Firma; ihr Gründer Gabriel Levy ist sein Urgrossvater.
Standen sich levy fils und die neu gegründete G. Levy & Cie. – eine Kollektivgesellschaft mit voller Haftung der Inhaber – zu Beginn als Konkurrenten gegenüber, bemühte sich Gabriel Levy alsbald um Ausweitung seines Angebots. Nunmehr wurden nicht nur Petroleum- und Gaslampen, sondern auch Glasleuchten sowie diverse Haushaltsartikel vertrieben. Die in Basel unter dem Namen «Lampen Levy» bekannte Handelsfirma verzeichnete schon in den frühen 1920er-Jahren Millionenumsätze. 1922 verlegte sie ihren Sitz von der Hochstrasse im Gundeli an die Dornacherstrasse 398 auf dem Dreispitz.
Regent-Gebäude vor Umbau, um 1955.
Regent-Gebäude vor Umbau, um 1955.
Im Frühjahr 1932 starb René Levy an einer Grippe. Gaston Levy, nun auf sich allein gestellt, bat etwas später seinen Neffen Jean Dreyfus, mit in die Firma einzusteigen. Dieser hatte zuvor eine Uhrenfirma in Biel geleitet. Bereits in dieser Zeit zeichnete sich die zukünftige Ausrichtung des Geschäfts ab: Die Leuchten machten damals schon mehr als die Hälfte des Umsatzes aus. Die restlichen Bedarfsartikel stellten sich längerfristig nicht als gewinnbringend heraus. An das ehemals breitgefächerte Sortiment erinnert heute vor allem der Firmenname: «Regent» war die Artikelbezeichnung eines frühen Bestsellers, einer Buttermaschine mit «starkem Gussgetriebe», die in Verkaufskatalogen von 1918 abgebildet ist.
Die Kataloge der Firma G. Levy & Cie. zeigen das breite Sortiment. Die Buttermaschine «Regent» kostete in der grössten Ausführung CHF 4,50. Auch Pfannen waren Teil des Sortiments der ehemaligen Handelsfirma. Illustrationen aus: Installationsmaterial. G. Levy & Cie. Basel 1918.
Während der nationalsozialistischen Diktatur war es als Schweizer Firma mit jüdischem Namen nahezu unmöglich, Waren aus Deutschland zu beziehen – für G. Levy & Cie. der wichtigste Beschaffungsmarkt. Um den Warenbezug zu sichern, entschied sich die Geschäftsführung in den frühen 1940er-Jahren zur Änderung des Firmennamens und gründete die Aktiengesellschaft Regent. Im Jahr 1940 hatten die Familien Levy und Dreyfus aufgrund der für Jüdinnen und Juden in Europa zunehmend bedrohlichen Lage beschlossen, in die USA auszuwandern. Gaston Levy und Jean Dreyfus zogen sich temporär aus dem Verwaltungsrat zurück. Da Enteignungen jüdischer Unternehmen im benachbarten NS-Staat an der Tagesordnung waren, sorgten die Geschäftsführer der Regent vor. Damit die Firma in ihrer Abwesenheit nicht zwangsliquidiert würde, liessen sie mit Alfred Dreyfus, einem weiterhin in Basel ansässigen Arzt, ein entferntes Familienmitglied in den Verwaltungsrat wählen. Obschon dieser zuvor mit der Firma kaum in Berührung gekommen war, wahrte Alfred Dreyfus in Abwesenheit der Inhaberfamilien verlässlich deren Interessen. Nach Kriegsende kehrten die Familien wieder in die Schweiz zurück – mit im Gepäck eine zukunftsweisende Idee, die sie in den folgenden Jahren umsetzen wollten.
Die Lichtrevolutionen des 20. Jahrhunderts
Die Beleuchtungsbranche wurde in den frühen 1940er-Jahren von einer grundlegenden Innovation geprägt: 1938 brachte die in den USA ansässige Firma Sylvania eine der ersten kommerziellen Fluoreszenzröhren auf den Markt. Zur Ausleuchtung grosser Räume wie zum Beispiel Fabrikhallen konnte bis anhin nur eine entsprechend hohe Anzahl von Punktleuchten Abhilfe leisten. Neu ermöglichten fluoreszierende Leuchten nicht nur eine grossflächigere, sondern auch eine stromeffizientere Beleuchtung. Als Jean Dreyfus’ Bruder Charles 1945 als Teilhaber in die Firma eintreten wollte, erkannte die Geschäftsleitung eine einmalige Gelegenheit: Gelänge es Charles Dreyfus, der zu diesem Zeitpunkt noch in den USA weilte, die Sylvania-Exklusivvertretung für die Schweiz zu übernehmen, würde das die Zukunft der Firma in den ungewissen Jahren nach dem Krieg sichern.
Tatsächlich gelang es Charles Dreyfus, 1947 als Exekutivvertreter der Sylvania nach Basel zurückzukehren. Da er auf diese Weise für die Weiterentwicklung des Unternehmens sorgte, wurde er von Gaston Levy und Jean Dreyfus als dritter Partner aufgenommen. Regent führte in der Folge als erstes Unternehmen der Schweiz die Fluoreszenzbeleuchtung ein. Wie erhofft trug diese zum Wachstum, aber auch zum Wandel des Unternehmens bei. War die Regent noch bis in die 1950er-Jahre eine reine Handelsfirma, wurde mit dem Import von Fluoreszenzröhren auch die Produktion von Leuchten für Langfeldröhren aufgenommen. Damals machten letztere zwar erst rund 20 Prozent des Umsatzes aus – dennoch brauchte es dafür neues Personal. Dann mussten, um konkurrenzfähig zu bleiben, stetig neue Anwendungen gefunden werden, was Regent auch gelang: Auf die Fluoreszenzbeleuchtung folgten in den 1960er-Jahren die Industriebeleuchtung, 1985 das weltweit erste Direkt-Indirekt-Lichtsystem und kurz darauf bereits die ersten intelligenten Beleuchtungssysteme.
Fluoreszenz-Strassenleuchten in einer Quartierstrasse. Bild aus: Katalog
Die Fluoreszenzleuchte 7500 eignet sich nicht nur als Strassenleuchte, sondern auch für Lagerschuppen und Werkplätze. Aus: Regent Industrieleuchten Strassenleuchten
Patrick Dreyfus stellt heute mit Blick auf die Geschichte der Regent fest, dass es wie überall, so auch in ihrer Branche technische Revolutionen gegeben habe, die das Geschäftsfeld komplett und nachhaltig veränderten: die Fluoreszenzbeleuchtung nach dem Zweiten Weltkrieg, gefolgt von Halogen und aktuell LED. Seit dem Aufkommen der elektrischen Lichtquellen – der lichtemittierenden Dioden – vor rund zehn Jahren befindet sich die Lichtbranche erneut im Umbruch. Für Regent bedeutet dies eine weitere komplette Neuorientierung. Lag bislang die Hauptkompetenz der Firma in der mechanischen Lichttechnik und somit im Lenken und Regulieren von Licht anhand von Blechen, später Kunststoffdiffusoren und anderen Lenkungselementen, verlagerte sich der Fokus mit dem Aufkommen von LED auf die Produktion sogenannter optoelektronischer Komponenten. Dabei werden Diffusoren und Reflektoren entwickelt, die das von den LED-Chips ausgehende Licht lenken und deren Wärmehaushalt regulieren. Der Körper bzw. die Leuchte wird um die Technik herum entworfen. 2015 entschied Regent, alle ihre Produkte auf LED umzustellen und folglich Handel und Produktion von Halogen- und Fluoreszenzleuchten einzustellen. Der Firma gelang es nicht nur, die Folgen der «Lichtrevolutionen» zu bewältigen, vielmehr wurde sie selbst zur Schrittmacherin, indem sie mit ihren Neuentwicklungen den technischen Fortschritt selbst mitgestaltete.
Regent im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung
Die Ausrichtung des Beleuchtungsunternehmens wurde allerdings nicht nur durch Entwicklungen in der Lichttechnik nachhaltig geprägt. Auch die Auswirkungen der Globalisierung erforderten in den 1990er Jahren ein grundsätzliches Umdenken. In einer Welt, in der alles zu jeder Zeit und überall erhältlich war, reichte es nicht mehr, Exklusivvertretungen für die Schweiz zu erwerben. «Auf uns hatte niemand gewartet», stellt Patrick Dreyfus rückblickend fest. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, musste man entweder mit tiefen Preisen oder ausserordentlichen Produkten punkten. Deshalb traf die Geschäftsleitung in den 1990er-Jahren den Entscheid, neu auf eigene Produkte zu setzen. Als Manuel Levy 1993 in die Firma einstieg, war diese Umstellung gerade in vollem Gange. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, den Export aufzubauen, denn die Regent sollte fortan mit ihren Produkten im internationalen Markt Fuss fassen.
Doch wie konnten Regent-Leuchten auf dem globalen Markt bestehen? «Die Günstigsten» seien sie nie gewesen, sagt Manuel Levy. Design und das Verständnis für die Bedürfnisse individueller Kunden hebe sie heute von anderen Grossbeleuchtungsfirmen ab. Auch würden heute Beleuchtungskonzepte erarbeitet, die nicht nur ästhetisch seien, sondern für ein Wohlgefühl sorgten und so Mitarbeiter/innen länger produktiv sein liessen. Die von Regent eingeführten Direkt-Indirekt-Beleuchtungssysteme eigneten sich beispielsweise für Büroräumlichkeiten, da das Licht kaum blendet und damit eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffe.
Ein grundlegendes Umdenken war schliesslich auch im Umgang mit den Materialien erforderlich. Da die Firma bis in die 1990er-Jahre ausschliesslich für die hochpreisige Schweiz produzierte, waren Materialausgaben nicht ausschlaggebend. Für den Erfolg im Ausland mussten dann sowohl die Material- als auch die Produktionskosten reduziert werden. Folgerichtig wurde 2010 ein Teil der Produktion ins Ausland verlegt. Auf dem Dreispitz wird heute ausschliesslich montiert, das heisst in die Schweiz gelieferte Lichtquellen samt passenden Teilchen zusammengesetzt. Der grösste Vorteil dieser Eigenproduktion liegt darin, dass für die Kunden so individuelle Leuchtkonzepte umgesetzt werden können. Da aber eine Automatisierung der Arbeitsprozesse bei der Produktion von Spezialleuchten praktisch unmöglich ist, müssen vergleichsweise hohe Lohnkosten für die am Standort Dreispitz verrichtete Handarbeit in Kauf genommen werden.
Im Zuge der Digitalisierung wird die Arbeit der Beleuchtungsfirma zunehmend abstrakter und komplexer. Die Regent, so Levy, verkaufe inzwischen nicht mehr nur Licht, sondern Systemlösungen. Konkret reicht dies von intelligenten Systemen, die je nach Tageslicht die Lichtverhältnisse automatisch anpassen und die Luftqualität regulieren, bis hin zu personalisierten Lichtlösungen. Mit «MyLights» entwickelte die Regent ein Modul, über welches individuelle Beleuchtungspräferenzen via Tablet oder Smartphone gesteuert werden können.
Seit dem Umzug an die Dornacherstrasse 390 hat sich die Firma grundlegend verändert: Verpackten und spedierten Mitarbeitende in den 1920er-Jahren hier noch Buttermaschinen und Gaslampen, werden heute neue Softwares für Grossfirmen entwickelt und programmiert. Ob eine nächste Generation Levy und Dreyfus in die Fusstapfen ihrer Vorgänger tritt, lässt sich noch nicht sagen. Als marktführende Beleuchtungsfirma der Schweiz scheint die Regent aber für die nächste «Revolution» gewappnet zu sein.
Manuel Levy, Regent Lighting (Foto: Daniel Spehr, 2020)
Patrick Dreyfus, Regent Lighting (Foto: Daniel Spehr, 2020)
Manuel Levy (*1963), aus Reinach, begann seine Tätigkeit in der Regent 1993. Bereits 1995 übernahm er mit seinem Vater, René Levy, die Geschäftsführung und leitete den Verkauf, das Marketing und das Produktmanagement. 2010 übernahmen die Co-CEOs Manuel Levy und Patrick Dreyfus sämtliche Aktien ihrer Väter.
Patrick Dreyfus (*1967), aus Basel, stieg 1997 in die Regent ein. Seine Aufgabe bestand zu Beginn darin, die Budgetierung einzuführen und die Kostenrechnung aufzubauen. Sukzessive übernahm er in den Folgejahren die Leitung der Produktion, der Finanzen, der Produktentwicklung und des Personals. 2010 tauschten die Co-CEOs ihre Aufgabenbereiche, 2014 entschieden sie sich, das operative Geschäft an einen externen CEO abzugeben. Als Delegierte des Verwaltungsrates bleiben sie der Firma weiterhin erhalten.
Das Gespräch fand am 30. September 2020 im Hauptsitz der Firma Regent an der Dornacherstrasse 390 auf dem Dreispitz statt.