Sutter Begg: Nine to Seven
Lina Schmid
Gerade mal zwei Stunden am Tag befindet sich niemand in den Räumlichkeiten von Sutter Begg an der Frankfurt-Strasse 80. Um 19 Uhr sind die Putzkräfte fertig mit der Reinigung des Gebäudes, und bereits um 21 Uhr nehmen Mitarbeitende die Teigproduktion wieder auf. In der Nacht wird gebacken, im Morgengrauen werden die frischen Backwaren in der ganzen Region verteilt. Danach kommen die ersten Angestellten der Geschäftsstelle. Sieben Tage in der Woche wird während 22 Stunden täglich geknetet, gebacken, getüftelt, gerechnet und vertragen.
Die Lieferwagen fahren kurz vor 5 Uhr bei den Rampen vor, um die Ware zu laden. (Foto: Daniel Spehr)
Als wir am 31. Oktober 2020 um 2 Uhr nachts die Backstube betreten, sind einige Bäcker gerade dabei, Laibe der Sorte «Baslerbrot» in die riesigen Öfen einzuschiessen. Während alles noch schläft, wird in der Backstube auf dem Dreispitz dafür gearbeitet, dass 26 Filialen in den frühen Morgenstunden mit frischen Backwaren versorgt werden können. «Handmade gönn’ ich mir» – so lautet der Slogan von Sutter Begg, und tatsächlich wird hier sehr vieles von Hand gemacht: Rund 90 Bäcker, Konditorinnen und Confiseure setzen Teige an, kneten und formen jedes einzelne Brot, streichen Sandwiches, rollen Gipfeli, flechten Zöpfe und gestalten Schokoladenkreationen.
Die «Paillasse»-Brote werden alle von Hand gedreht, bevor sie in den Ofen kommen. (Foto: Daniel Spehr)
Das «Pain Paillasse» wird nach dem Rezept des Genfers Aimé Pouly gebacken und erhält mindestens 24 Stunden Teigruhe, bevor es in den Ofen kommt. (Foto: Daniel Spehr)
Sobald die Lieferwagen gegen halb 5 Uhr bei den Laderampen vorfahren, wird es hektisch. Nun gilt es, die korrekte Anzahl Backwaren, Birchermüesli, Sandwiches und Süssgebäck am richtigen Posten bereitzustellen. Anschliessend schwärmen die Lieferwagen von Sutter Begg – noch immer im Dunkeln – in alle Richtungen aus. Selbst die Filialen in Pratteln, Riehen und Therwil können vom Dreispitz aus innerhalb von rund fünfzehn Minuten beliefert werden. Warum befinden sich alle Filialen in unmittelbarer Nähe und wieso wollte der Betrieb nie schweizweit expandieren? Die Antwort von Geschäftsführerin Katharina Barmettler-Sutter lautet: «Es macht einfach keinen Sinn, Frischwaren in der Schweiz umherzufahren.» Bäckereien, sogar gute Bäckereien, gebe es überall in der Schweiz, und mit diesen lokalen Betrieben möchte Sutter Begg nicht konkurrieren. In unserem Gespräch am 25. September 2020 wird klar, dass der Frischeanspruch an die eigenen Backwaren sowie die regionale Ausrichtung Teil der Geschäftsphilosophie sind, die fest im Betrieb verankert ist und eine lange Tradition hat.
Die Mitarbeitenden der Speditionsabteilung verladen die Ware und fahren anschliessend die vorgegebenen Touren durch die Region. (Foto: Daniel Spehr)
26 Filialen mit unterschiedlichen Öffnungszeiten sind auf die pünktliche und korrekte Lieferung angewiesen. (Foto: Daniel Spehr)
Vier Generationen Basler «Beggen»
Die Gründung der ersten Bäckerei erfolgte vor über hundert Jahren durch Karl Kappler-Rauser: Der Urgrossvater von Katharina Barmettler-Sutter eröffnete 1911 seine eigene Bäckerei an der Riehentorstrasse im Kleinbasel. 1914 verlegte er Backstube und Ladengeschäft an die Lothringerstrasse im St. Johann. Der Name Sutter erschien auf der Bildfläche, als Helene Kappler, Karls Tochter, Willy Sutter heiratete. Treuhänder Sutter liess sich nach der Eheschliessung zum Bäcker ausbilden und übernahm gemeinsam mit seiner Frau die damalige Kleinbäckerei. 1936 zogen sie mitten ins Kleinbasel an die Rebgasse 52, und kurz darauf wurde der Betrieb auf «Bäckerei Sutter» umfirmiert. Einen Meilenstein setzte das Ehepaar im Jahr 1948 mit der Eröffnung des Hauptgeschäfts samt Tea-Room an der Eisengasse 15. Zwar hatten die Confiserien Pellmont und Bachmann schon zuvor Tea-Rooms eröffnet, doch bei Sutter wurde für 1 Franken 20 Rappen ein sogenannter Teller-Lunch serviert. Dies war neu zu einer Zeit, in der im Restaurant die Speisen in der Regel noch auf Platten an den Tisch gebracht wurden. Die Teestube im ersten Stock wurde von der Basler Bevölkerung rege besucht. Katharina Barmettler-Sutter erinnert sich, dass ihre Grossmutter, die im Gellert-Quartier wohnte, sich die Wohnung über dem Tea-Room mietete, wo sie tagsüber einen Grossteil ihrer Zeit verbrachte. Dort war sie mitten im Geschehen und konnte jederzeit «nach dem Rechten» sehen.
Die zentrale Backstube an der Rebgasse 52. Undatierte Fotografie aus dem Privatbesitz Sutter Begg.
Die Hauptfiliale an der Eisengasse. Undatierte Fotografie aus dem Privatbesitz Sutter Begg.
Helene Sutter wird uns als tüchtige Geschäftsfrau beschrieben, die gemeinsam mit Willy Sutter weitere Grundsteine für den Erfolg legte. Kern dieses Erfolgsrezepts war das Filialgeschäft. Bis zum zweiten Generationenwechsel gelang es dem Ehepaar, rund zehn Filialen zu eröffnen. Das Konzept sah zudem vor, dass die Produktion in einer zentralen Backstube stattfindet – zuerst in der Rebgasse, später in der Rosentalstrasse.
Eine noch grössere Anzahl Filialeröffnungen erfolgte schliesslich in den rund 45 Jahren, in denen die Brüder Werner und Hans-Ruedi Sutter das Geschäft führten. Ersterer war gelernter Bäcker und Kaufmann, letzterer gelernter Konditor, und gemeinsam übernahmen sie 1968 die Geschäftsführung. Als im Jahr 1988 der Betrieb schliesslich auch an der Rosentalstrasse aus allen Nähten platzte, wurde bis 2007 schrittweise die Produktion und etwas später auch die Geschäftsstelle an die Frankfurt-Strasse 78 und 80 auf dem Dreispitz verlegt.
Eine noch grössere Anzahl Filialeröffnungen erfolgte schliesslich in den rund 45 Jahren, in denen die Brüder Werner und Hans-Ruedi Sutter das Geschäft führten. Ersterer war gelernter Bäcker und Kaufmann, letzterer gelernter Konditor, und gemeinsam übernahmen sie 1968 die Geschäftsführung. Als im Jahr 1988 der Betrieb schliesslich auch an der Rosentalstrasse aus allen Nähten platzte, wurde bis 2007 schrittweise die Produktion und etwas später auch die Geschäftsstelle an die Frankfurt-Strasse 78 und 80 auf dem Dreispitz verlegt.
Das «Schoggiweggli» im Wandel der Zeit
Die geräumige Backstube auf dem Dreispitz erstreckt sich über zwei Stockwerke. Bei unserem Besuch in den frühen Morgenstunden fällt uns sofort auf, dass nicht nur das Geschäftsmodell, sondern auch die Produkte auf eine lange Geschichte zurückblicken. Auf den Schwarz-Weiss-Fotografien im Treppenhaus erkennt man «Schoggiweggli», die in der Feinbäckerei im ersten Stock gerade portioniert werden. Seit Jahrzehnten gehört das meistgekaufte Süssgebäck zum Sortiment von Sutter Begg. Zu den Sutter-Klassikern gehören auch das «Baslerbrot», der «Ackersegen» und das «Pain Paillasse». Einzelne Backwaren sind keine eigenen Erfindungen. Das «Urigs-Brot» beispielsweise kam in den 1990er Jahren von der konkursgegangenen Bäckerei Gaiser an der Güterstrasse, der «Ackersegen» von der ehemaligen Bäckerei Zoller an der Hutgasse. So leben diverse Kleinbetriebe gewissermassen in der Sutter’schen Backstube weiter.
Der «Schoggiweggli»-Teig wird in der Feinbäckerei im ersten Stock portioniert. (Foto: Daniel Spehr)
Anschliessend wird jedes einzelne «Weggli» mit den bekannten Zacken versehen. (Foto: Daniel Spehr)
Heute finden sich auch einige Neukreationen in der Auslage. Das wachsende Bewusstsein für gesunde Ernährung sowie das Aufkommen nachhaltiger Ernährungsformen beeinflussen das Konsumverhalten. Deshalb bietet Sutter Begg nun vermehrt auch vegetarische oder vegane Backwaren an. Seit Sommer 2020 ist das «vegane Schoggibrötli» im Sortiment, an dem die Produktionsleitung lange tüftelte. Die Umgestaltung des Angebots geht aber über die eigentlichen Backwaren hinaus – so wurde das Sortiment zusätzlich um Salate und Suppen erweitert, was insbesondere die Business-Lunch-Kundschaft abholen soll. Auch der Ausbau des gesamten Kaffeesektors folgte einem Trend, in dem Fall dem amerikanischen Coffee-to-go. Die Einführung des Street-Café-Konzeptes im Jahr 2000 stellte einen gelungenen Auftakt ins neue Jahrhundert dar. Die Balance zwischen Tradition und Innovation zu halten bezeichnet Katharina Barmettler-Sutter als Herausforderung und als ständigen Spagat, was grosse Flexibilität erfordere.
In der Traiteur-Abteilung werden Sandwiches und Salate für das Mittagsangebot zubereitet. (Foto: Daniel Spehr)
Zwischen Tradition und Innovation
Das Grundkonzept des Filialgeschäfts bleibt von diesem Spannungsverhältnis zwischen Alt und Neu nicht unberührt. Auf der einen Seite expandierte Sutter Begg in den letzten Jahrzehnten stark, was nicht zuletzt auf den erfolgreichen Coffee-to-go und das neue Mittagssortiment zurückzuführen ist. Allein zwischen 2000 und 2010 kamen rund acht Filialen mit eigenem Café hinzu. Gleichzeitig soll nach wie vor das Handwerk im Vordergrund stehen. Obwohl man sich also den neuen Bedürfnissen der Kundschaft anpasst, bleibt die Bäckertradition im Fokus. Zudem will Sutter Begg keine Bäckerbetriebe verdrängen. Katharina Barmettler-Sutter erinnert sich an die Worte ihres Vaters Werner Sutter: «Mach nie einen Laden auf, wenn in der gleichen Strasse ein anderer Bäcker ist.» Um das Bäckerhandwerk zu sichern und dem Bäckerei-Sterben entgegenzuwirken, übernimmt die Firma Sutter Begg oft die Räumlichkeiten und Mitarbeiter ehemaliger Kleinbäckereien. So wird sichergestellt, dass an diesen Standorten weiterhin Backwaren über die Gasse gehen. Schliesslich sorgt Sutter Begg für die Zukunft des Berufsstands, in dem er den Nachwuchs fördert. In der Rookie-Club-Filiale in der Spalenvorstadt arbeiten Lernende unterstützt von lediglich einer Ausbildnerin, und auch im Dreispitz werden Bäckerinnen-Konditoren sowie Konditoren-Confiseurinnen ausgebildet. Dadurch wird die Branche gestärkt und für deren Fortbestehen gesorgt. Der Sutter Begg hat sich also seit über einem Jahrhundert mit einer Portion Traditionsbewusstsein, einer Handvoll Geschäftstüchtigkeit und einer Prise Zukunftsorientiertheit zum grössten Bäckereiunternehmen der Region gebacken.
Katharina Barmettler-Sutter (Foto: Daniel Spehr)
Katharina Barmettler-Sutter (*1971) stieg 1995, nach der Absolvierung der Handelsschule, in das Unternehmen Sutter Begg AG ein. 2013 übernahm sie die Geschäftsführung und leitet das Unternehmen unter anderem mit ihrer Schwester und ihrer Cousine.
Das Gespräch fand am 25. September 2020 in der Geschäftsstelle von Sutter Begg an der Frankfurt-Strasse 78 auf dem Dreispitz statt.